Interview mit Tabea Söregi
Bild von Tabea Söregi
Worum geht’s in deiner MA-Arbeit? Wie bist du darauf gekommen?
In meiner Masterarbeit habe ich Praktiken des Kompostierens erforscht und diese mit Diskursen verbunden. Auf das Thema bin ich gekommen, da ich mich in meinem Studium viel mit Müll, Müllgeschichte und Abfallwirtschaft beschäftigt habe. Dabei hat mich interessiert, wie Ordnungen geschaffen werden und welche Bedeutungen sie haben. Müll und Abfall werden oft als etwas außerhalb betrachtet, dass sich außerhalb von gesellschaftlichen Strukturen befindet. Im Englischen existiert sogar das Wort trashy, das eine abfällige Bezeichnung für Personen ist, die wenig gesellschaftlich beitragen (wobei hier zu fragen wäre, was als gesellschaftlicher Beitrag gilt). Auch im deutschen Sprachgebrauch hält sich die Dichotomie von Müll als etwas Schlechtem und Reinheit als etwas Gutem. So gibt es leider Vergleiche bei denen diskriminierte Personen noch weiter diskriminiert werden, in dem diese mit Abfall oder Dreck verglichen werden. Die Kulturanthropologin Mary Douglas argumentiert, dass alles, was gesellschaftliche Ordnungen bedroht, als unrein konstruiert wird und gleichzeitig dieser Status der Unreinheit Macht verleiht, Ordnungen zu ändern.[1]
Diese Dichotomien haben also Kipppunkte, die zeigen, dass die Ordnungen zwischen Müll-Nichtmüll und wertvoll-unwertvoll sehr ambivalent sein können. Wenn etwas zu rein wirkt, ist es steril und unnahbar und wird negativ gewertet. Bei Abfall besteht die Möglichkeit, dass dieser den Status des Wertvollen erlangt, wie es bei Biomüll und Kompost oft der Fall ist. Der Biomüll zersetzt sich in Erde und wird dadurch als etwas wertvolleres konstruiert. In meiner Masterarbeit war es mir wichtig zu hinterfragen, warum Kompost als wertvoll konstruiert wird und da kommen unzähligen Diskurse ins Spiel mit denen er verwoben ist. Kompostieren wird von sehr unterschiedlichen Positionen besetzt und oft als urtypisch/natürlich und gleichzeitig als technisch anspruchsvoll dargestellt. Zudem gibt es viele Diskussionen um das richtige Kompostieren, die schon fast ideologisch geführt werden. Ich fand das Thema durch diese vielfältigen Aushandlungen spannend, da meiner Meinung nach bei diesen Brüchen und Neubilden von Ordnungen unsere Selbstverständlichkeiten besonders gut reflektiert werden können.
Was war eine überraschende Erkenntnis? Was hast du dabei gelernt?
Ich war überrascht wie sehr sich ein „roter Faden“ durch meine Forschung zog. Ich habe mich methodisch an Assemblageforschungen orientiert, bei denen ich als Forscherin das Material und die Themen auf mich zukommen ließ, fast Serendipity-mäßig. Jedoch zeigte sich bei fast jeder meiner Analysen, dass der Mythos eines verlustfreien Stoffkreislaufes beim Kompostieren zentral ist. Dass bedeutet, dass beim Kompostieren fast immer der Glaube mitschwingt, dass alles wiederverwertet werden kann und muss, was ein moralisiertes Verantwortungsgefühl bei den kompostierenden Personen verursacht. Aus naturwissenschaftlicher Perspektive, auf die ich ausnahmsweise als Kulturwissenschaftlerin rekurrieren werde, ist es ein verlustfreier Kreislauf unmöglich, da er den Grundsätzen der Energieerhaltungssätze der Thermodynamik widerspricht. Trotzdem wird immer wieder auf dieses Bild des restlosen Kreislaufes verwiesen und einzelnen Personen das Gefühl vermittelt, wenn sie nur gut genug recyclen würden und gut genug Biomüll sammeln würden, könnten sie Müllmengen drastisch reduzieren und gegen Null bringen. Dieser Kreislauf wird als reibungslos und natürlich präsentiert, kann jedoch nur durch Mühe und Wissen aufrechterhalten werden. Zudem entsteht immer ein nicht verwertbarer Rest. Dieser nicht-verwertbare Rest spiegelt sich zum Beispiel in den Biomüll-Vorgaben der MA48 wider. Dort wird vorgeben, dass Personen keine gekochten Speisereste in den Biomüll geben dürfen, da diese oft gesalzen sind und das Salzverhältnis des Kompostes beeinflussen würde (bei zu viel Salz, würde nichts mehr auf der Komposterde wachsen). Ich denke, dass hier eine diskursive Verschiebung stattfindet, die uns die Sicht auf die eigentliche Frage verstellt: Wie ist unser wirtschaftliches System, dass auf endloses Wachstum basiert mit begrenzten Kapazitäten der Abfallverwertung vereinbar?
Was machst du jetzt? Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Derzeit arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Geschichte des ländlichen Raumes. Ich arbeite mit meinen Kolleginnen unter anderem am Projekt „Niederösterreich privat“, eine Sammlung aus über 70.000 Schmalfilmen, dass im Auftrag der Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich und in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria stattfindet.
[1] Douglas, Mary: Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu.
1985, Berlin. S. 12.