Ein SchauFenster in ländliche Alltage

Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Text: Brigitta Schmidt-Lauber

Titelbild: Erich Landsteiner

Das SchauFenster ist ein 2020 gegründeter, in Kooperation mit Anwohnenden entwickelter Ausstellungsort in den ehemaligen Räumlichkeiten eines Gemischtwarengeschäftes im nordwestlichen Weinviertel (Niederösterreich). An der österreichisch-tschechischen Grenze gelegen, zeigt das SchauFenster alltagskulturwissenschaftliche Ausstellungen zu gegenwärtigen und historischen Lebensverhältnissen im ländlichen Raum und Werke von Künstler:innen mit regionalem Bezug.

Die Ausstellungen sind mit weiterführenden Informationen und Fotos zugleich auf der Website verfügbar. Dort findet sich dort zudem eine laufend wachsende Sammlung vertiefender Inhalte zum Alltagsleben im ländlichen Raum – wie historische Privatfotografien und Filme, schriftliche Quellen und wissenschaftliche oder journalistische Texte. Auch Links zu weiterführenden Projekten wie dem ebenfalls in der Region lokalisierten Themenweg „Spuren am Land“ sind hier gelistet.

Ausstellung: Auf den Wegen sammelt sich die Zeit. Foto: Matthias Klos

Das SchauFenster-Projekt verfolgt das Ziel, ein neues Format für kulturelle Teilhabe und grenzüberschreitenden Dialog im ländlichen Raum zu entwickeln. Auch für die ethnographische Forschung und Repräsentation bieten sich Impulse durch die Zusammenarbeit über Professionsgrenzen hinweg sowie die partizipativen Arbeitswege des Vorhabens.

Das SchauFenster bietet einen Begegnungsraum zwischen verschiedenen Personenkreisen. Im Fokus steht die Vielfalt der Menschen, Lebenssituationen und -konzepte vor Ort – seien es lokale Weinbauern und -bäuerinnen, Pensionist:innen, Politiker:innen, Pendler:innen, Zugezogene oder Zweitwohnsitzer:innen, deren Perspektiven und Lebensverhältnisse in Austausch kommen. Längst sind es nicht mehr nur landwirtschaftlich Tätige, die die Häuser des Weinviertels bewohnen. Im Gegenteil hat sich eine breite und weithin vernetzte Klientel von Künstler:innen, Akademiker:innen, Therapeut:innen und anderen Zugereisten im Retzer Land angesiedelt.

Die Bündelung von Kunstschaffenden und Intellektuellen spiegelt einen mancherorts – verstärkt seit der COVID-Pandemie – beobachtbaren Trend zum Zweitwohnsitz oder Leben am Land. In diesem Nebeneinander sozialer Lebensumstände und Biographien positioniert sich das SchauFenster als umgewidmete, ehemals leerstehende Infrastruktur im ländlichen Raum als Ort sozialen Austauschs. Die Besucher:innen von Vernissagen eint das Interesse, mehr über die Geschichte der österreichisch-tschechischen Grenze, das Alltagsleben oder die Kunst einer Nachbarin erfahren zu wollen.

SchauFenster in Arbeit. Foto: Brigitta Schmidt-Lauber
Innenansicht Greisslerei. Foto: Josef Glaser

Die ausgestellten Inhalte kommentieren gesellschaftliche Verhältnisse mit unterschiedlichen Mitteln und Formaten, die Kunst und Wissenschaft bieten. Eingebunden in das Vorhaben sind Nachbar:innen, Expert:innen aus dem Archiv- oder Museumsbereich sowie aus wissenschaftlichen Einrichtungen, Ausstellungsarchitekt:innen und Designer:innen, die ihre jeweilige Expertise einbringen. Zahlreiche Inhalte basieren auf lebensgeschichtlichen Interviews oder Fotogesprächen zu Privatsammlungen. So spiegelt das SchauFenster im Kleinen und Konkreten übergeordnete gesellschaftliche Strömungen und Entwicklungen wider: Lokalgeschichte wird in diesem Projekt in Bezug zur Gesellschaftsgeschichte gesetzt und als Ausdruck historischer Verhältnisse verstanden.

Eröffnungsschaufenster Trouve l’objet von Astrid Bartl. Foto: Brigitta Schmidt-Lauber

Einige der kulturwissenschaftlichen Themenausstellungen stehen in Zusammenhang mit übergeordneten Projekten. So entstand die Ausstellung zur Privatzimmervermietung im Retzer Land „Zimmer frei! Urlaub am Land“ im Anschluss an ein zweisemestriges Studienprojekt am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien. Dieses mündete in eine Website sowie die Storyline für die Ausstellung „Zimmer frei! Urlaub am Land“ im Haus der Geschichte Niederösterreich. Andere Ausstellungsthemen ergaben sich zufällig aus Schenkungen von Fotografien zum Haus und Ort oder aus Gesprächen wie mit einer Nachbarin, die jahrelang als Verkäuferin in der früheren Greißlerei des Hauses tätig war.

Die vielen Erinnerungsspuren boten Anregungen, die Veränderung der Infrastruktur im ländlichen Raum (etwa der Wasserversorgung oder Lebensmittelversorgung), des Lebens an der Grenze oder der historisch variablen Wertorientierungen (etwa die Versiegelung des Bodens als Segen der Moderne zu feiern) in je eigenen Ausstellungen zu thematisieren. Objekte aus dem Stadl, Dachboden oder der Werkstatt des Hauses, die auf die Geschichte des Gemischtwarengeschäfts verwiesen, bündelten Johanna Resel und ich mit Unterstützung eines Ausstellungsteams zur Präsentation: „Blick zurück! Nahversorgung in Oberretzbach“ .

Aktuell hängt anlässlich der Neugestaltung der Website und als Dokumentation des kooperativ-gemeinschaftlichen Charakters des SchauFenster-Projektes ein Jubiläumsplakat „SchauFenster 20 -25“ in der Auslage, das eine Übersicht über die Inhalte und Personen der bisherigen Ausstellungen bietet.