Foto von Martina Mikulka
Ein Projekt von Martina Mikulka und Simon Schwarz
„Man kann diese Merkmale im Begriff der Aura zusammenfassen und sagen: Was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerkes verkümmert, das ist seine Aura. […..] Die Reproduktionstechnik, so ließe sich allgemein formulieren, löst das Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition ab. […..] Und indem sie der Reproduktion erlaubt, dem Beschauer in seiner jeweiligen Situation entgegenzukommen, aktualisiert sie das das Reproduzierte.“ (KTR: 438)[1]
Obwohl Walter Benjamin diese Feststellung in Bezug auf die Reproduzierbarkeit von Kunst im Druckverfahren bezogen hat, ist sie noch immer richtig auch für die Reproduzierbarkeit in digitaler Form.
Für die Aufgabenstellung des Seminars, einen ethnographischen Films zu erstellen, der Bezug nimmt auf audio-visuelle Technologien und wie diese unsere sinnliche Wahrnehmung verändern oder auch nützen, haben wir dieses Zitat als Inspiration genützt und einen Vergleich hergestellt zwischen dem Erleben von Kunst online und offline.
Für unseren Film haben wir vier ProbandInnen bei einem Ausstellungsbesuch beobachtet und sie gleichzeitig, bzw. im Anschluss zu ihrem Erlebnis interviewt. Dabei haben wir auch nach ihren Erfahrungen mit virtuellen Ausstellungen gefragt. Unsere eigenen Beobachtungen und Gespräche sind mit eingeflossen. Alle ProbandInnen waren in unterschiedlichen Ausmaß „kunstaffin“ und der Meinung, dass ein virtueller Ausstellungsbesuch zwar viele und auch wesentliche Informationen liefern kann, das tatsächliche Erleben von Kunst aber nicht imitieren kann. Dieses Einmalige wurde mit dem bewussten Erleben über die Sinne beschrieben, das Emotionen hervorruft, die im Bewusstsein des Augenblicks, der „Wahrhaftigkeit“ dieses Kunstwerks entstehen.
Unsere ProbandInnen fanden wir in unserem Freundeskreis, sie waren daher eine homogene Gruppe, gebildet und an Kunst interessiert. Wir selbst gehören auch zu dieser Gruppe, wir standen unserem Untersuchungsgegenstand daher sehr nahe. Wie Menschen aus museumsfernen Schichten auf das neue digitale Angebot reagieren, konnten wir daher nicht untersuchen.
Wir haben versucht, das reale dem virtuellen Erleben im Film vergleichend gegenüber zustellen. Einerseits das Erleben über die Sinne, das häufig mit Atmosphäre beschrieben wurde, und andererseits den Gegensatz von kognitiv und emotional heraus zu arbeiten. Ein Film ist aber wiederum ein audio-visuelles Dokument/Medium, das diese Unterschiede nur imitieren und beschreiben kann.
Gottfried Böhm spricht in seinem Aufsatz „Das Bild denken“ die Rolle des Körpers bei der Interpretation und der Seherfahrung eines Bildes an. Seiner Meinung nach appelliert das Bild an unseren Orientierungssinn.[2] Die Aussagen unserer ProbandInnen würden diese Ansicht unterstreichen, denn der Tenor war, dass die Seherfahrung am Computer eine deutlich andere ist.
Dieser Text und das audio-visuelle Essay entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung „Audio-Visual Media and Embodiment: A Practical Approach of Cultural Analysis” der Dozierenden Işıl Karataş. Das Originalprojekt stammt von Martina Mikulka und Simon Schwarz. Das Video-Essay wurde von Martina Mikulka für den Blog neu bearbeitet. Weitere studentische Beiträge aus Lehrveranstaltungen sind hier zu finden.
Nachweise:
[1] Walter Benjamin, Aus: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Gesammelte Schriften, Bd. 1/2, hg. v. R. Tiedemann und H. Schweppenhäuser, Frankfurt am Main, 1977.
[2] G. Böhm, Das Bild denken, Anmerkungen zum ikonischen Diskurs, Aus: Facetten gegenwärtiger Bildtheorie, Springer VS, 2018, S.34.