‚Dick Pics‘ 2.0: Ethnographische Annäherungen an Verhandlungen von Ästhetik, Erotik und künstlerischer Interpretation des ‚Dick Pics‘

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Foto von Maren Sacherer

Bei der dgv-Studierendentagung 2021 unter dem Motto „SEX.SEX.SEX. Kulturwissenschaftliche Höhepunkte und Abgründe“ präsentierten Studierende des Wiener Instituts für Europäische Ethnologie ihre Forschungsthemen. Maren Sacherer und Tabea Söregi erzählen von ihrer Forschung.

Worum ging es in eurem Vortrag?

Es ging um theoretische und methodische Annäherungen an einen spezifischen Tumbler-Blog, mittlerweile nur mehr im online-Archiv erreichbar, auf dem Rezensionen zu eingesendeten Dick Pics[1] veröffentlicht wurden. Dabei interessierte uns gerade die Betrachtungsweise des erwünschten Dick Pics, da im öffentlichen als auch wissenschaftlichen Diskurs großteils nur über „unsolicited dick pics“ – also unerwünschte Penis-Fotos gesprochen wird.

Wie seid ihr auf das Thema dick pics gekommen?

Maren: Tabea hatte mir vor mittlerweile fast drei Jahren während der Wartezeit zum damaligen Kolloquiumstermin von dem Tumblr-Blog „Critique My Dick Pic“ von Madelaine Holden erzählt. Daraus entspannten sich nachträglich ein längeres Gespräch, Recherchen und ein Brainstorming sowie Beiträge bei mittlerweile zwei Studierendentagungen sowie ein Kolloquiums-Werkstattgespräch.

Tabea: Ich bin auf dem Blog vor ungefähr 5 Jahren durch einen Reddit-Thread gestoßen. Ich fand ihn schon damals sehr spannend, da er versucht einen Blick aufzubauen, der von Laura Mulveys definierten „the male gaze“ abweicht und eine inklusive, queere Perspektive besitzt, bei der die kommunikative Ebene zwischen Betrachter:innen und Betrachteten geöffnet wird. Nicht nur durch Holdens Rezensionen, sondern auch durch Tumblrs Format, dass unter den Blogbeiträgen notes ermöglicht. Durch diese ist nachvollziehbar, wer den Blogbeitrag geliked hat, wer ihn repostet hat und ob beim Reposten zusätzliche Kommentare gemacht worden sind.

Was habt ihr herausgefunden? Was war besonders interessant oder überraschend?

Maren: Wir haben herausgefunden, dass das Thema breiter ist als ohnehin vermutet und sich rund um das Forschungsthema viele interessante und zum Teil auch unerwartete Felder spannen. So geht es beispielsweise um Fragen der Zugänglichkeit und Forschungsmöglichkeiten auf und mit archivierten Internetseiten, um erotische Fotographie und ethische Fragen bei der Analyse von nicht selbsteingeholtem ethnographischem Material, die Betrachtung des Blogs als Medium sowie der Kritik bzw. Rezension als spezifischer Textform. Auch Methoden der Kontext- und Bildanalyse, Rezipient:innenforschung oder die Idee eines „Review-along“ mit Madeleine Holden wurden für eine mögliche weitere Themenannäherung angedacht.

Tabea: Was auch überraschend und sogar ein kleiner Schock war, war die Zugänglichkeit des Materials. Tumblr hat 2018 den sogenannten Porn Ban erlassen, wodurch der Blog gelöscht wurde. Der Porn Ban wäre übrigens für sich ein spannendes Forschungsthema, da dadurch vor allem Personen marginalisiert worden sind, die sich durch Mainstream Pornos nicht vertreten fühlen.

Wir konnten auf den Blog durch das Internetarchiv „Wayback Machine“ zugreifen, jedoch funktionierte dieser Zugriff ein gutes, halbes Jahr nicht, wodurch wir schon fast dachten, dass wir unsere Forschung nicht fortsetzen können. Dieses Erlebnis hat für uns auch den Mythos relativiert, dass „das Internet nie vergisst“. (Tatsächlich gehen im Internet Dinge verloren oder verschwinden in obskure, schwer auffindbare Räume). Als wir doch wieder Zugang hatten, hat Maren Screenshots vom Blog gemacht.


[1] „Dick-Pics“ sind „Dick-Pictures“ also im engsten Sinne „Penis-Fotos“, wobei diese Rahmung im Kontext des Blogs offener gestaltet wurde. Beispielsweise waren auch Strap-On- und Dildo-Fotos sowie nicht nur Bilder von cis-heteronormativen Penissen erwünscht. Das heißt auch Penis-Bilder von trans*, inter*, non-binary und agender Personen wurden erbeten.