von Katharina Burgstaller-Mühlbacher, Eveline Haselsteiner und Maren Sacherer
Was ist Protest? Wir beauftragen Google mit einer Antwortfindung und erhalten als Topscore: Protest Sportswear®, eine Bekleidungsmarke aus den Niederlanden. Etwas weiter im Ergebnis-Feed der Suchmaschine werden zwei Definitionen geliefert mit dem Vermerk „Substantiv, maskulin [der]“, Protest ist eine „meist spontane und temperamentvolle Bekundung des Missfallens, der Ablehnung“ zum einen oder wirtschaftlich betrachtet eine „amtliche Beurkundung der Nichtannahme eines Wechsels, der Nichteinlösung eines Wechsels oder Schecks“ zum anderen.[1]
Wir hingegen würden es anders formulieren: Protestierende opponieren, beanstanden, kritisieren, sie halten entgegen oder erheben Widerspruch. Sie setzen sich zur Wehr, geben zu bedenken oder bringen ihr Missfallen zum Ausdruck. Demonstrierende kommen lautstark, wütend, energiegeladen daher, zu Fuß, mit dem Fahrrad und auch schon einmal mit dem Sattelschlepper, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Protest kann aber auch eine stille, jedoch keineswegs unsichtbare Angelegenheit sein. Greta hat es uns vorgemacht.
Wer in letzter Zeit die Nachrichten verfolgt hat, kommt vielleicht zum Schluss, Protest finde überall statt: Thailand, Belarus, Myanmar, Haiti, Libanon, Russland, Indien, Mexiko … In vielen Staaten, Regionen, Städten und Dörfern protestieren Menschen täglich für oder gegen etwas. Gegenwärtig wird vielerorts gegen die Corona-Maßnahmen Widerstand geleistet, was wiederum Gegendemonstrationen hervorruft und Polarisierungen produziert. Protest führt auch heterogene Gruppen zusammen, um sich temporär für ein gemeinsames Anliegen zu verbünden, selbst wenn sie sich sonst nicht einig sind.
In Wien fanden am 08. März 2021, zum hundertzehnten Internationalen Frauen*tag, gleich mehrere Aktionen statt: so etwa eine Frauen*demo am Yppenplatz, die FLINTA*-only Bikedemo, ein feministischer Streik mit dem Motto „Ni Una Menos“ (dt. keine Einzige weniger) sowie eine Kundgebung zum internationalen feministischen Kampftag unter dem Titel „Take back the Streets“. Besonderen Fokus legten die Teilnehmenden hierbei auf die zunehmende Gewalt an Frauen* sowie die steigende Zahl von Femiziden in den letzten Monaten.
Das klingt alles sehr aktiv und ernst – und das ist es auch. Aber: Protest ist mehr als die Google-Definitionen, mehr als öffentliche Widerstandsbekundungen und mehr als das, was aktuell in den Medien widergespiegelt wird. Proteste haben viele Facetten, historische Kontexte sowie gegenwärtige Auswirkungen und werfen Fragen für die Zukunft auf. Protest kann laut sein, aber auch leise, in die Öffentlichkeit gebracht oder in der privaten Sphäre ausgetragen werden. Demonstrationen können auf Plätzen und Gassen starten oder vom Schreibtisch bzw. dem Handy aus Aufmerksamkeit für ein Anliegen generieren. Protest kann als besonderes Event inszeniert werden oder auch über Handlungen im persönlichen Alltag eingebettet sein, wie etwa bei Konsumkritik, Boykott oder Streik.
Im Master-Projektseminar des vergangenen Studienjahres 2020/21 haben wir uns mit dieser Vielfältigkeit des Protests auseinandergesetzt und über unsere Online-Ausstellung die Ergebnisse präsentiert. Reinschauen lohnt sich: Dort findet ihr Einblicke in verschiedene Themenpunkte sowie ein maßgeschneidertes Glossar für spezielle Begriffe. Wenn euch nicht nach Lesen ist, gibt es zudem unter der Rubrik „About“ mehrere Podcast-Folgen zur Ausstellung.
Doch wie im Schnittraum eines Feature-Films sind auch bei diesem Projekt viele Dinge unerwähnt geblieben oder fanden aus unterschiedlichen Gründen nicht ihren Weg in die Ausstellung. Es folgt daher ein kleiner Blick hinter die Kulissen, wobei wir ein Schlaglicht auf Bilder und Anekdoten werfen, die bisher nicht erzählt wurden.
Geniale Ideen zwischen bravourös gescheitert und unerschrocken umgesetzt
Durch erschwerte Forschungs- und Arbeitsanforderungen, bedingt durch die Pandemie-Situation, mussten wir viel und auch stetig umdisponieren. So entwarfen wir beispielsweise im Frühsommer 2020 Konzepte für eine damals noch analog geplante Ausstellung im Volkskundemuseum in Wien. Davon zeugen auch die folgenden zwei Aufnahmen des Graphic Recordings zu unseren Brainstorming-Sessions.
Als zunehmend klarer wurde, dass eine Ausstellung in den Räumlichkeiten des Museums immer unwahrscheinlicher wurde, starteten wir ein Umdenken in Richtung einer Übersetzung ins Virtuelle. Um eine potenzielle Online-Ausstellung für unsere Kooperationspartner*innen zu visualisieren, lieferten wir verschiedene Konzeptentwürfe unserer jeweiligen Stationen. Dafür haben wir gezeichnet, gebastelt, Texte verfasst und adaptiert sowie Objekte organisiert und neu arrangiert.
Nach vielen weiteren Modellen und Designentwürfen sowie einigen Kompromissen entstand schließlich das Endprodukt: Unsere Online-Ausstellung „Wir protestieren!“ – Von Demos, Hashtags und Gemüse. Sie kann zu unserer Freude jederzeit per Klick im Netz besucht werden.
Was blieb vom Gelernten noch unerwähnt? Einige Gedanken, die wir uns dazu nach den letzten zwei Semestern über Protest gemacht haben, könnt ihr über eine exklusive Outtake-Folge anhören, die es nicht in den Podcast geschafft hat.
Kontinuierliches umplanen sowie auch die grundsätzliche Arbeit an Ausstellungen verlangt, dass nicht alles aufgenommen, gezeigt und dargestellt werden kann. Eine Auswahl ist notwendig, auch wenn es das Wegfallen von interessanten Aspekten bedeutet, wie beispielsweise Fragen zur Akustik bzw. Klanglandschaft von Protest.
Was haben wir noch gelernt? Das aus Interviewpartner*innen gute Freund*innen werden können. Und: Wenn die Ausbeute eines Dumpster-Ausflugs aus praktischen Gründen in der Badewanne gereinigt oder für ein Foto darin drapiert wird, kann passieren, dass als Ergebnis kurze Zeit später ein neuer pflanzlicher Mitbewohner, wie etwa „Hermann“, aus dem Abfluss sprießt.[2]
[1] Google-Suchmaschine: Eintrag zum Schlagwort „Protest“ im Wörterbuch (deutsche Ausgabe des Google-Wörterbuchs, basierend auf dem Nachschlagewerk Oxford Languages, https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=Protest (zuletzt aufgerufen am 08.03.2020).
[2] Anm.: Keine Sorge, dies spricht nicht für die mangelnde Hygiene der spezifischen WG, sondern für gute Wasserqualität und dafür, dass die Badewanne aufgrund des Vorhandenseins einer Dusche nicht wirklich oft benutzt wird.